GRÜNE Haushaltsreden zum städtischen Haushalt 2020

Barbara Leininger

Teil 1

Barbara Leininger

Fraktionssprecherin

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen Bürgermeisterinnen,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung und des Stadtrates,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger hier im Sitzungssaal und am Livestream,

Corona mit den harten sozialen und ökonomischen Auswirkungen und die existentielle Bedrohung durch die Klimakrise stellen den Haushalt vor eine doppelte Aufgabe.

Wir Grüne halten uns im Kampf gegen das Virus an die Vernunft und an die Wissenschaft. Wir vertrauen der Medizin und danken den Menschen, die an ihrem Platz – im Gesundheitsamt, im Klinikum, im Pflegeheim und in der Kita – den Alltag durchstehen. Wir halten jede und jeden für systemrelevant, gerade auch die, die wir besonders schützen müssen, die Kranken und Alten.

Wir wissen, meine Damen und Herren, dass es ein Zurück in die Vergangenheit, also vor Corona, nicht geben darf. Die Zukunft müssen wir erst gestalten.

Wir geben uns fünfeinhalb Jahre für Ingolstadt mit einigen für diesen Haushalt wichtigen Gestaltungsfeldern.

Ich beginne mit einem klimafesten Ingolstadt:

Ein Ingolstadt, das die Verkehrswende weg von der autozentrierten Stadt hin zur Fahrrad- und Fußgängerstadt vollzogen haben wird. Der Raum in unserer Stadt wird neu aufgeteilt sein, für eine menschenfreundliche Mobilität mit viel mehr Platz für Kinder, Alte, Radfahrer, Rollstuhlfahrer. Wir werden den kostbaren öffentlichen Raum besser nutzen als zum Abstellen von Autos. Und das tut gar nicht weh: Wir werden ihn nutzen für Sommerstraßen und für Schanigärten -, ja, München hat nach Wiener Vorbild Parkplätze im Sommer zu Wirtsgärten umfunktioniert. Und was machen wir in Ingolstadt: Das Experiment Pop-up-Radwege war ein Flop.

Meine Damen und Herren – Das alte Leitbild der Autostadt Ingolstadt hat zu viel an Raum gekostet, hat zu viel an Lebensqualität gekostet, hat sich überlebt.

In der klimafitten „Schwammstadt Ingolstadt“ wird mit dem Regenwasser, das wegen der Klimaveränderung jetzt schon entweder in Wolkenbrüchen oder zu wenig fällt, sorgsam umgegangen werden. Jetzt sind unsere Stadtbäume gestresst von Hitze und Trockenheit. Wir brauchen das Wasser für die vielen Bäume und das Grün an Fassaden und Dächern, damit es uns nicht zu heiß wird in der Stadt.

Zur klimafreundlichen Stadt trägt künftig erkennbar das neue Bauen und Renovieren bei: In den Gebäuden – nicht nur in den geplanten Schulbauten –, die wir mit dem Geld aus dem Haushalt bauen, stecken kreislauffähige, ökologische Baustoffe, die Häuser werden klimaneutral geheizt und gekühlt.

Nachhaltiges Bauen ist ökologisch, barrierefrei und erschwinglich. Nachhaltiges Bauen beinhaltet auch, dass wir eine Sozialquote auf 40 % festschreiben wie in Regensburg oder München.

Wir Grüne unterstützen in diesem Zusammenhang auch Neubauvorhaben mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten wie jetzt an der Stinnesstraße (TOP 43).

Obwohl man beim Bauen umdenken muss, legen wir auch Wert auf gute Baukultur, die gewachsene Strukturen in unserer schönen Stadt an der Donau berücksichtigt.

Alles – meine Damen und Herren – ist derzeit von Corona überschattet. Das Virus macht die soziale Schere weiter auf. Aber es deckt auch Ungleichheiten und Probleme auf, und das besonders im Bildungsbereich: In fünfeinhalb Jahren werden wir deshalb Netzwerke sozialer Unterstützungsleistungen und passgenaue Hilfen verstärkt haben, damit Corona – dann rückblickend – keine unheilbaren Risse (verlorene Zeit und verpasste Chancen) in den Bildungsbiographien unserer Kinder und Jugendlichen hinterlässt. Bildung, Soziales und Integration müssen wegen Corona noch vernetzter gedacht werden. Wir stehen hier in dringender Verantwortung.

Zu Kultur und Kunst: Wir vermissen sie.

Wir wollen das Theater zurück, wollen die Kammerspiele, freuen uns auf das MKKD, wir wollen die Kultur- und Gemeinschaftserlebnisse in der ganzen Stadt zurück. Vereine, Chöre, die Georgier, Jugendkultur, Christopher Street Day, Märkte und Pfarrfeste.

Damit nach Corona nicht alles kaputt ist, unterstützen wir die Kulturschaffenden und die Gastronomie.

Wo wir gut vorankommen: Die Erinnerungskultur wird in einer großartigen zivilgesellschaftlichen Initiative gemeinsam mit den Schulen ins Bewusstsein der Gegenwart gerückt. Danke an alle, die sich hier engagieren.

Was wir sicher auch brauchen, ist eine Weiterentwicklung der kulturellen Stadtidentität: Unser materielles und immaterielles Erbe, historische Universitäts- und Wissensgeschichte (viele hier kennen meine Leidenschaft für die Vergangenheit), Garnisonsstadt und Industriestandort, ja, aber wir sollten mit dem Begriff „Identität“ sehr bewusst umgehen.

URBANE IDENTITÄT ist doch mehr als Historie! Heute sind wir eine vielfältige Stadtgesellschaft, das „WIR“ ist in 2020 ein vielfältiges und interkulturelles „WIR INGOLSTÄDTER“.

Die neue Stadtregierung verstehen wir Grüne nicht als Zweckbündnis für jetzt noch fünfeinhalb Jahre. Wir haben politische Ziele, die wir endlich in einem offenen und wertschätzenden Klima im Stadtrat diskutieren können. Die alten Grabenkämpfe sind nicht mehr zeitgemäß und – sie interessieren auch keinen mehr.

Die Bürgerschaft erwartet von uns, dass wir Ingolstadt mit einem verantwortungsvollen Haushalt durch Corona bringen und nachhaltige Politik machen.

Packen wir´s an!


Teil 2

Christian Höbusch

Fraktionssprecher

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Bürgermeisterinnen,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

viel wurde bereits über den Haushalt 2021 und die Aussichten auf die kommenden Jahre gesagt und geschrieben.

Viel wird heute dazu noch gesprochen werden.

Kurz nochmal fürs Protokoll: Wir stimmen dem Haushalt zu und stehen zu unserer Verantwortung in dieser außergewöhnlichen Zeit.

2020, das nun fast hinter uns liegt, wird in den Fluss der Menschheitsgeschichte als das Jahr der Corona-Pandemie eingehen.

Heute befinden wir uns noch mitten in der katastrophalen 2. Welle und unmittelbar vor dem wichtigen, richtigen, harten Lockdown ab Übermorgen bis zunächst zum 10. Januar.

Ich will hier nicht über die Spannungen in unserer Gesellschaft sprechen, nicht über die Weigerungen zu gesellschaftlicher Solidarität und nicht über die Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.  

Ich will nicht reden von Mitmenschen, die alleine zu Hause bleiben und Einsamkeit ertragen müssen.

Nicht reden von all den wirtschaftlichen Existenzen, die auf dem Spiel stehen und 2021 noch viel mehr auf dem Spiel stehen werden.

Nicht reden von den bisher weltweit 1,6 Millionen, in Deutschland fast 22.000, in unserer Stadt 51 davon, Toten der Corona-Pandemie.

Jede Geschichte ein potentielles Drama.

Nein, ich will uns gemeinsam einen Moment auf ganz persönliche Ebenen holen.

Denn für mich ist 2020 auch ein Jahr der gescheiterten, der geplatzten persönlichen Pläne, Träume und Wünsche.

Wer von uns hat nicht etwas vorgehabt, auf das sie, er sich beim letzten Jahreswechsel sehr gefreut, dem sie, er entgegengefiebert hat.

Wenn ich in ihre Gesichter blicke, dann sehe ich, dass Jede, Jeder von uns hier im Saal solche Momente gerade an sich vorbeiziehen sieht.

Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, dürfte es nicht anders ergehen. Und: Ich reihe mich ein.

Ich will meine Zeit nutzen, um meinen, Ihren Blick etwas in die Zukunft, etwas über den Horizont hinaus zu heben.

Wir schreiben das Jahr 2020. Auch in diesem Jahr schläft die Klimakrise nicht.

Mit jedem neuen Tag schreitet die menschengemachte Erderwärmung voran.

Wir haben noch ein Jahrzehnt, bis 2030, Zeit, um einen wirklichen Wandel hinzubekommen.

Bis 2030 sollen, nein müssen, etwa die Treibhausgasemissionen in der EU noch um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990, also von vor 30 Jahren, reduziert werden.

Das wurde letzten Freitag durch den EU-Gipfel immerhin beschlossen.

Von dem großen Ziel einer CO2-Neutralität bis 2030 will ich gar nicht reden.

Jüngste Nachrichten stimmen hier nicht hoffnungsvoll.

Man denke etwa nur an das kürzliche Eingeständnis des VW-Konzerns, die selbstgesteckten CO2-Ziele wohl nicht erreichen zu können.

Die Corona-Pandemie wird in ein bis zwei Jahren weitestgehend weltweit unter Kontrolle sein – bis die nächste Pandemie kommt.

Aber das kommende Jahrzehnt ist die Zeit DER größten Herausforderung in der Menschheitsgeschichte.

Es ist die Zeit, in der sich entscheiden wird, ob es die Menschheit in dieser Form weiterhin auf dem Planeten Erde geben wird.

Mit unserer Nachhaltigkeitsagenda – die später auf der Tagesordnung steht – haben wir uns – zwar VIEL zu spät – schon ein wenig auf den Weg gemacht.

Aber das kommende Jahrzehnt verlangt noch viel, viel mehr Anstrengungen von uns.

Dieses Jahr, das Jahr 2021 kommen wir haushaltstechnisch noch mit zwei blauen Augen davon.

Doch wir MÜSSEN beginnen – JETZT beginnen – die großen Linien im Lichte der Klimakrise auch in unseren Haushalt, unsere Planungen zu schreiben. Frau Leininger hat es schon erwähnt.

Konsolidierung und Konsolidierungsrat: Gut. Notwendig.

Auf Sicht fahren: Das sagt uns bereits die Straßenverkehrsordnung.

Wir müssen, da wo es auf kommunaler Ebene geht, ALLE Anstrengungen unternehmen, die große Herausforderung des kommenden Jahrzehnts zu meistern, um den Klimakollaps noch abzuwenden.

Dazu gehört auch, in eine notwendige und verantwortbare Verschuldung zu gehen.

Unsere kommenden Haushalte MÜSSEN die Handschrift der Klimakrise, der gemeinsamen Anstrengungen dagegen tragen.

Ich versichere Ihnen: Die grüne Stadtratsfraktion schreibt hier mit. Jetzt. Für Morgen.

Inger Andersen, Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der UN, bringt 2020 und das kommende Jahrzehnt in einem Satz treffend zusammen:

„Unsere langfristige Antwort auf Covid-19 sollte darin bestehen, unsere Beziehung zum Planeten Erde zu reparieren.“

Lassen Sie uns in dieser kommenden, weiterhin schweren, Zeit solidarisch sein, zusammenstehen, zusammenhalten.

Denn: Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.

Halten wir gemeinsam einen Moment Stille für die Toten der Pandemie, doch auch für die bisher Abermillionen Toten durch den Klimawandel, sei es in Folge von Naturkatastrophen, Hitzewellen oder auf der Flucht, etwa im Mittelmeer.

Einen Moment Stille

Danke.